Kniescheibe
Die Kniescheibe ist ein Knochen, welcher zwischen zwei Sehnen (Quadrizeps- und Patellasehne) an der Vorderseite des Kniegelenks liegt. Sie ist auf der dem Kniegelenk zugewandten Seite von Knorpel überzogen und läuft in einem speziellen Gleitlager des Kniegelenks (Trochlea).
Schmerzen und Instabilitäten der Kniescheibe sind ein häufiges Problem in der Orthopädie. Grund dafür sind die grossen Lasten, die der Körper über diesen relativ kleinen Knochen auf das Kniegelenk überträgt. Lange wurde die Kniescheibe aufgrund ihrer komplexen Mechanik nur ungenügend verstanden. Daher sind viele noch heute oft verbreitete Behandlungskonzepte überholt. Neue Erkenntnisse führen nun bei vielen Patienten zu sehr erfolgreichen Behandlungen.
Ursache und Symptome
Springt die Kniescheibe aus ihrem Gleitlager am Kniegelenk, spricht man von einer Patellaluxation. Erstmalige Luxationen der Patella sind sehr schmerzhaft, die Kniescheibe ist oft blockiert und muss von Hand wieder in ihr Gleitlager zurückgedrückt werden. Anschliessend bestehen Schmerzen und eine relativ grosse Knieschwellung, weswegen danach meist ein Arzt aufgesucht wird.
Durch bestimmte Faktoren wie flaches Gleitlager der Kniescheibe, Riss des stabilisierenden Bandes der Kniescheibe (MPFL) oder Drehfehlstellungen der Oberschenkel kommt es häufig zu wiederkehrenden Patellaluxationen. Patienten klagen bei einer instabilen Kniescheibe über ein unangenehmes Gefühl um die Kniescheibe herum („das Knie hält nicht“). Liegen nach einer Patellaluxation Knorpelschäden vor, sind zudem Schmerzen keine Seltenheit.
Abklärungen und Behandlungen
Die Vorstellung beim Kniespezialisten sollte möglichst rasch nach dem Ereignis erfolgen. Neben der gründlichen Begutachtung der Kniescheibe muss immer eine radiologische Untersuchung mit Röntgenbild und MRI erfolgen, eventuell ist sogar eine zusätzliche Computertomografie notwendig. Nur so lässt sich abschätzen, wie gross der Schaden nach Patellaluxation ist, ob eine erneute Luxation wahrscheinlich ist und ob operativ oder konservativ vorgegangen werden sollte. Eine alleinige Versorgung durch eine Kniebandage ohne fundierte Abklärung sollte heutzutage nicht mehr vorgenommen werden.
Ob und wann eine Instabilität der Kniescheibe operiert werden sollte ist von bestimmten Risikofaktoren abhängig. Liegt beispielsweise ein echter Unfall mit Schlag von Innen auf die Kniescheibe vor und ist das Gleitlager der Kniescheibe korrekt ausgeprägt, sind die Chancen auf eine Heilung mit einem bestimmten Nachbehandlungsschema auch ohne Operation hoch. In allen anderen Fällen wird ein operatives Vorgehen empfohlen.
Operation
MPFL-Rekonstruktion
Zeigt sich im MRI, dass die Kniescheibe nicht mehr zentral in ihrem Gleitlager steht oder ist die Kniescheibe bereits mehrmals herausgesprungen, wird das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) rekonstruiert. Hierbei wird, ähnlich wie bei der Kreuzbandersatzplastik, eine Sehne vom Kniegelenk (Gracilissehne) entnommen und als Bandersatz zwischen Kniescheibe und Oberschenkel eingespannt. So wird eine erneute Luxation verhindert. Diese Operation wird minimal-invasiv und arthroskopisch unterstützt durchgeführt.
Trochleaplastik
Liegt die Ursache der Patellaluxationen in einer Abflachung oder gar Fehlentwicklung des Gleitlagers der Kniescheibe am Oberschenkel, sollte dort korrigiert werden. Dazu wird der Knorpel mit einer dünnen Knochenschicht angehoben, die korrekte Form des Gleitlagers mit speziellen Instrumenten modelliert, und der Knorpel anschliessend wieder auf das neue Gleitlager aufgenäht. Dieser Eingriff ist nur bei jüngeren Patienten und bei gutem Knorpelzustand möglich. Oft erfolgt er in Kombination mit einer MPFL-Rekonstruktion.
Osteotomie
Vielfach zeigt sich in den Abklärungen, dass der Oberschenkelknochen und damit die Trochlea bei korrekter Form zu weit nach innen gedreht sind. Solche Patienten laufen in der Kindheit bespielsweise oft mit nach innen gedrehten Füssen. Die Kniescheibe reitet dann auf dem äusseren Anteil der Trochlea und springt bei bestimmten Bewegungen leicht nach aussen aus dem Kniegelenk heraus. In diesen Fällen wird der Oberschenkelknochen knapp über dem Kniegelenk durchtrennt, in die richtige Position gedreht und anschliessend mit einer Platte fixiert (Derotationsosteotomie). Bei einer ausgeprägten X-Bein-Stellung wird in einer ähnlichen Operation die Beinachse begradigt.
Ein weiterer Grund für Patellaluxationen liegt in einem zu weit aussen liegenden Ansatz der Kniescheibensehne. Dadurch liegt auch die Kniescheibe zu weit aussen und kann leichter herausspringen. Zur Verhinderung weiterer Patellaluxationen wird in diesen Fällen der Ansatz der Patellarsehne nach innen verlegt und mit Schrauben fixiert (Tuberositasosteotomie). Alle Eingriffe haben zur Folge, dass sich die Kniescheibe anschliessend wieder korrekt im Gleitlager zentriert. Bei entsprechender Notwendigkeit werden diese Eingriffe zudem mit einer MPFL-Rekonstruktion kombiniert.
Nachbehandlung
Bei der einfachsten Form der Patellastabilisierung, der MPFL-Rekonstruktion, wird das operierte Bein nur für 1-2 Wochen teilentlastet. Eine Knieschiene wird für sechs Wochen getragen und in 2-wöchigen Abständen auf verschiedene Beugungsgrade eingestellt. Die Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach den Beschwerden und liegt je nach Beruf zwischen 2-8 Wochen. Sport ist nach 8 Wochen wieder möglich, Physiotherapie zwischenzeitlich zwingend notwendig. Trochleaplastiken und Osteotomien haben eine Entlastung von 4-6 Wochen zur Folge, die physiotherapeutische Nachbehandlung beträgt 4-6 Monate. Knieschienen sind nicht notwendig, die Arbeitsunfähigkeit beträgt je nach Beruf 4-12 Wochen.
Knorpelschaden und Arthrose
Knorpelschäden und Arthrose hinter der Kniescheibe sind häufig vorkommende Schädigungen des Kniegelenks. Knorpelschädigungen entstehen entweder als direkte Folge eines Unfalls oder aufgrund von Patellainstabilitäten bzw. Fehlstellungen der Patella im Gleitlager.
Eine Arthrose entwickelt sich meist schleichend durch Überbelastung (z. B. Leistungssport oder kniende Tätigkeiten), krankhaften Verschleiss oder als Folge von Knorpelschäden. Die Patienten klagen über brennende Schmerzen hinter der Kniescheibe, manchmal auch über einen stechenden Schmerz bei Belastung oder längerem Sitzen.
Abklärungen und Behandlungen
Ein konventionelles Röntgenbild und MRI gehören zu den Standarduntersuchungen bei Problemen der Kniescheibe. Liegt eine Arthrose des gesamten Kniegelenkes vor, kann auf ein MRI auch verzichtet werden. Prinzipiell gelten bei den Knorpelschädigungen der Kniescheibe bzw. der Kniescheibenarthrose dieselben Behandlungsprinzipien wie bei der allgemeinen Arthrose des Kniegelenks. Eine Reihe von medikamentösen und nicht operativen Behandlungen sind verfügbar, bei Versagen der konservativen Behandlung sind verschiedene Operationsverfahren möglich.
Operation
Grundsätzlich werden bei Knorpelschäden und Arthrose der Kniescheibe die gleichen Operationsmethoden angewandt wie bei den Knorpelschädigungen des übrigen Kniegelenkes.
Miktrofrakturierung: Bei umschriebenen Knorpelschäden wird durch Anbohren der Knorpeldefektstelle ein Knorpelreparaturgewebe generiert.
Implantation eines Knorpelfliesses: Bei der sogenannten AMIC-Methode wird auf die oben beschriebene Mikrofrakturierung ein Fliess aus Kollagen aufgelegt, in das Stammzellen aus dem Knochen einwandern und ein Knorpelersatzgewebe bilden. Diese Methode eignet sich für grössere Knorpeldefekte.
Minced-Cartilage-Technik (Autocart): Seit einiger Zeit verwenden wir zunehmend die Autocart-Technik zur Füllung von Knorpeldefekten auch hinter der Kniescheibe. Dabei werden die Knorpelreste aus dem Defekt gesammelt, durch eine Mühle gedreht und als Paste wieder in den Defekt geklebt.
Osteotomien: Liegt ein Knorpeldefekt an einer exponierten Stelle vor, an der die Belastungen besonders hoch sind (z.B. äusseres Kniescheibengleitlager) kann durch eine Drehosteotomie die Kniescheibe in eine bessere Position gebracht werden. Durch die Druckumverteilung verschwindet der Schmerz.
Oberflächenersatz: Bei fortgeschrittenen Knorpelschäden oder Arthrose der Kniescheibe werden die defekten Flächen durch eine neuartige schlanke Metalloberfläche ersetzt. Wo früher noch ein komplett neues Kniegelenk eingesetzt wurde, kann heute durch sogenannte Mini-Prothesen nur der umschriebene Defektanteil hinter der Kniescheibe ersetzt werden.
Nachbehandlung
Eingriffe am Knorpel müssen durch eine Entlastung des operierten Beins sowie eine definierte schrittweise Erhöhung des Bewegungsausmasses des Kniegelenks nachbehandelt werden. Ein entsprechendes Schema wird dem Patienten noch im Spital ausgehändigt. Der Spitalaufenthalt beträgt 1-2 Tage für die Mikrofrakturierung und 5-7 Tage für alle anderen Operationen. Patienten mit Oberflächenersatz können sofort nach der Operation voll belasten und das Kniegelenk frei bewegen. Ambulante Physiotherapie ist in jedem Fall für 8-12 Wochen notwendig.